„Tagtäglich verwandelt unsere Esstätigkeit Natur in Kultur, wird dabei doch der Körper der Welt in unseren Körper und Geist umgewandelt.“
Pollan, Michael: Das Omnivoren-Dilemma. Wie sich die Industrie der Lebensmittel bemächtigte und warum Essen so kompliziert wurde (Kindle Edition), Goldmann Verlag 2013.
Essen wird in diesem Zitat von Michael Pollan als ein Wandlungsprozess beschrieben. Ein Prozess, bei dem Natur in Kultur überführt wird. Die Landwirtschaft ist dafür ein anschauliches Beispiel, da sie maßgeblich zur Umgestaltung der Natur beigetragen hat. Und zwar nicht nur was deren (Re)Organisation angeht, sondern auch die Zusammensetzung ihrer Fauna und Flora. Durch die Tätigkeit des Essens werden automatisch Verbindungen zu etlichen anderen Spezies hergestellt, ganz gleich, ob Tier, Pilz oder Pflanze. Es ist das was uns mit der Natur verbindet und uns definiert. Die Frage danach, was ich essen soll bekommt vor diesem Hintergrund neues Gewicht. Es scheint nicht egal zu sein, was ich esse. Ganz im Gegenteil hat es sogar einen großen Einfluss darauf wer ich bin. Es ist nicht bloßer Ausdruck von kulinarischen Begierden und körperlichen Bedürfnissen sondern eröffnet kulturellen Gestaltungsspielraum. Essen wird so zu einem Ausdruck ökologischen Un-/Bewusstseins.
Forciert wird dieses Unbewusstsein durch die Industrie. Sie hat die biologische Logik durchbrochen und die Landwirtschaft von der Sonne und dem Boden weitestgehend unabhängig gemacht. Durch die Verwendung von Kunstdüngern - besonders synthetisch gewonnener Stickstoff - ist die Industrie heute vor allem auf eins angewiesen: Fossile Brennstoffe. Der Kreislauf von Landwirtschaft mit unterschiedlichen Fruchtfolgen und gleichzeitiger Haltung von Vieh wird durch den Kunstdünger überflüssig. Stattdessen ebnete er den Weg für die Monokultur. Der Kreislauf wurde zerstört und die fabriktypischen Wirtschaftlichkeiten der Massenproduktion in die Natur eingebracht.
Das Verhältnis von Natur und Kultur, von Natürlichkeit und Künstlichkeit ist ein zentrales Thema in meiner künstlerischen Arbeit. Es fußt auf meiner Arbeit am Gemüsestand auf dem Wochenmarkt und meiner durch Allergien erzwungenen Beschäftigung mit der Ernährung. Die nostalgische Verklärung, die oftmals über Werbung suggeriert wird läuft dabei konträr zur industriellen Produktionsweise. So besteht die Arbeit „Industrial Disease“ aus einer Menge schwarzer Feldfrüchte, die aus Porzellan gegossen wurden. Es handelt sich dabei um die „Massenproduktion“ einer einzigen Kartoffel, einer einzigen Karotte, usw., die alle handgefertigt wurden. Das Material verweist auf eine ökonomische Globalität der Landwirtschaft, während die schwarze Farbe auf die Abhängigkeit der Landwirtschaft von fossilen Brennstoffen hindeutet.
2015
Porzellan, schwarze Engobe
1300 °C, Reduktion
Größe variabel